Die verborgene Schönheit



Ein Erfahrungsbericht:

Was ich im Frühling 1998, am Strand von Playa del Carmen/Mexiko, erleben und erfahren durfte.


Eines Abends (es muss im Mai 1998, gewesen sein), saß ich an einem Strand in Playa del Carmen/Mexiko. Es war warm und der rhythmische Klang der sich brechenden Wellen war sanft und beruhigend. Die Sonne ging gerade unter und ich war dabei, die Einzigartigkeit dieses hinreißenden Spektakels, zu genießen. Es war ein sehr friedliches, ja geradezu zauberhaftes Bild, dessen Kontrast, durch das karibische Meerwasser, das sämtliche Türkistöne widerspiegelte und aussah wie ein leuchtender, wunderschöner Smaragd, fast schon auf der Netzhaut schmerzte.

 

Bald wurde es dunkler und die ersten Sterne, tauchten funkelnden Glühwürmchen gleich, am Firmament auf. Ich saß einfach nur da, ohne dabei irgendwelche konkreten Gedanken zu verfolgen, während eine Minute nach der anderen unbemerkt verstrich.

 

Plötzlich wurde mir bewusst, dass die Sterne die ich sah, nicht die Gegenwart reflektierten, sondern, da ihr Licht so lange bis zu mir unterwegs war, lediglich ihre eigene Vergangenheit.

 

Ich fragte mich, wie viele der Sterne, die ich in diesem Moment bewunderte, wohl noch da waren? Wie viele davon mochten wohl schon verglüht sein, obwohl ich sie jetzt gerade bestaunte?

 

Ich wunderte mich, wie viele Sterne es wohl gibt, von deren Existenz ich nichts wusste, da ich sie in diesem Augenblick noch nicht sehen konnte, weil ihr Licht immer noch unterwegs war zu mir. Und dennoch waren sie da, irgendwo da draußen in der Unendlichkeit.

 

Ich stellte mir dabei vor, dass das Licht der Sterne nicht vor mit Halt macht, sondern weiter leuchtet. Weiter hinein, in die unendlichen Weiten des Raumes, der sich geheimnisvoll über mir erstreckte.

 

Vielleicht kreuzt es auf seiner Reise die Umlaufbahn eines entfernten Planeten, an dem ein anderes Lebewesen ebenfalls den Sternenhimmel betrachtet. Natürlich würde dieses von mir erdachte Geschöpf, denselben Anblick, erst mit einer gewissen Verzögerung wahrnehmen, weil dieselbe Lichtquelle den Heimatplaneten meines fiktiven Freundes, erst viel später erreicht.

 

Ist es möglich, dass ich in dem Moment meiner Gegenwart wirklich die Vergangenheit sehe, oder vielleicht schon die Zukunft, die für den Bewohner des anderen Planeten, erst durch das verzögerte Eintreffen der von mir bereits beobachteten Lichtreflektion, zu seiner persönlichen Gegenwart wird?

 

Könnte es vielleicht Lebensformen in diesen unergründlichen Weiten geben, die bereits vor mir, Zeugen desselben Anblicks geworden sind, weil sie sich räumlich betrachtet, einfach näher am Ursprung des Geschehens befinden?

 

Und was war mit den Sternen, die ich noch nicht sehen konnte, die aber mit Sicherheit irgendwo in der Unendlichkeit ihre Photonen zu mir aussendeten? Waren sie relative Zukunft, Gegenwart oder schon Vergangenheit?

 

Bei diesen Betrachtungen, schien es mir dann auch, als ob sich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, unweigerlich verschwimmen und sich auflösen würden. Ja, als ob es sie in Wirklichkeit gar nicht geben würde.

 

Zugleich begriff ich intuitiv, dass unser Leben und jede Entwicklung, irgendwie mit dem Sternenlicht zu vergleichen ist.



Jetzt, in diesem Moment, sende ich, durch die Summe meiner Handlungen, Taten, Gedanken, Gefühle und Überzeugungen, mein Lebenslicht in die Unendlichkeit aus.

 

Vor meiner Geburt, war dieses Licht aber schon in gewisser Weise vorhanden, da sich das Lebenslicht meiner gesamten Vorfahren, wiederum durch ihre Handlungen, Gefühle und Überzeugungen, durch bestimmte „zufällige“ Umstände und einer scheinbar unwillkürlichen Aneinanderreihung unterschiedlichster Bedingungen, irgendwie miteinander verbunden und vermischt hat.

 

Irgendwo, ausgehend von dem Ursprung meiner "stammesgeschichtlichen" Vergangenheit, war mein Lebenslicht bereits potentiell vorhanden, allerdings war es damals, in seiner heutigen Form, einfach noch nicht sichtbar.

 

Nun vereinigt sich in mir das Lebenslicht zahlloser Generationen. Sie alle leben und leuchten in mir und durch mich. Dabei wird die Intensität dieser „Ausstrahlung“, durch meine Entscheidungen, Empfindungen, Erfahrungen sowie durch mein Denken und meine Handlungen, verstärkt und bestimmt. Es wird ewig ins Unendliche leuchten, auch wenn meine eigene Lebensflamme längst erloschen ist.

 

Dadurch wurde mir klar, dass ich das Andenken meiner Vorfahren und somit die Summe ihrer Bestrebungen, Ängste, Mühen, Hoffnungen, ihrer Opfer und ihres Leids, nur durch ein möglichst sinnerfülltes, selbstbestimmtes und glückliches Leben, auf gebührende Weise ehren kann. Dies wäre der liebevollste Beweis, meiner innigen Verbundenheit zu mir selbst, aber auch zu meinen Vorvätern- und Müttern. Ich wusste intuitiv, wenn ich an der Erfüllung dieser Aufgabe scheitern sollte, wären alle vorangegangenen Anstrengungen, inklusive der meiner Ahnen sowie meiner eigenen, völlig belanglos, trivial und sinnlos gewesen (zumindest in diesem Leben).

 

Vielleicht sind meine ungeborenen Kinder und Ideen bereits irgendwo da draußen, man kann sie nur noch nicht sehen.

 

Vielleicht ist irgendjemand da draußen, irgendwann in der Zukunft, der womöglich schon ahnt, dass das Licht meiner Lebensäußerungen ihn einmal erreichen wird.

 

Und schlagartig erkannte ich, dass ein schöpferisches Prinzip, eine kreative Macht oder ein Gott, einfach nicht in diese fundamentale, zeitlose Ordnung - in dieses gigantische Netz aus ineinander verwobenen Beziehungen, Bedingungen und gegenseitigen Wechselwirkungen - eingreifen kann und es auch gar nicht darf, auch wenn Er, Sie oder Es, jederzeit und mühelos dazu in der Lage wäre. Denn würde nur ein einziges, unscheinbares Quantenfeld, willentlich aus diesem Gesamtgefüge und somit aus dem schillernden Teppich des Lebens und Seins entfernt, so würde alles - das Licht der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft - wie ein Kartenhaus, in sich zusammenbrechen und kollabieren. Es entstünde eine universelle Laufmasche, die in ihrem weiteren Verlauf das gesamte Gefüge aus Zeit und Raum auflösen würde.

 

Alle Lichter würden auf einen Schlag ausgehen, es wäre still, dunkel, leer, öde und kalt. 



Zurück zum Blog


Kommentar schreiben

Kommentare: 0