Wer bist du?



Ich schaue in den Spiegel und begegne mir selbst. Es fühlt sich seltsam an. Ich stehe da und sehe die rätselhafte Antwort eines Echos, dessen Frage ich selbst bin.


In Summe ist es ein angenehmes und sympathisches Gesicht, das mir entgegenblickt. Eines, das ich einerseits kenne und das mir zugleich fremd vorkommt, je länger ich es betrachte. Ich frage mich, wer ist diese Person, die mich so verwundert und eindringlich mustert.

 

Wer bist du?

  

Über die Jahre hinweg, hat sich das Bild, das ich zu sehen bekomme, unmerklich verändert. Die Gesichtszüge sind voller geworden, während die faltige Anzahl unfreiwilliger Zeitzeugen, die es sich in der physiognomischen Tiefenstruktur meiner Haut offenbar ganz gemütlich gemacht hat, unaufhaltsam zunimmt.

 

Das Kind, das ich einmal war, kann ich immer noch erahnen. Ich erkenne es vor allem in meinen Augen, in denen manchmal der unbändige Schalk sowie die Unmittelbarkeit und Unbefangenheit aufleuchtet und erzittert, wie ein Blitz in wolkendurchtränkter Nacht.

 

Kannst du es ebenfalls sehen?

 

Je länger ich auf diese Weise „Schau-mir-in-die-Augen-Kleines“ mit mir selbst spiele, desto rätselhafter und undurchschaubarer wird das, was mich anblickt. Es ist, also ob ich in einen tiefen Abgrund hinabschaue, in dessen bodenloser Tiefe, Schmerz, Angst, Einsamkeit, Verlorenheit und Unsicherheit, lauert. Es ist ein unergründlicher Ort außerhalb von Zeit und Raum, an dem zugleich auch kindliche Unbekümmertheit, grenzenlose Liebe, Freude, Leidenschaft, Freiheit und eine tiefe Weisheit, beheimatet ist. Verrückt, oder?

 

Weißt du was ich meine?

 



So sehr sich mein einst jugendliches Abbild auch im Lauf der Zeit verändert hat, so gibt es doch etwas, das unverändert geblieben ist. Es ist der unsichtbare Beobachter und Zeitreisende in mir, der immer noch derselbe ist und dessen Alter schwer in Jahren, oder einem einzigen Leben, zu bemessen ist. 

 

Es ist diese stille, lebendige, geschlechtslose und immaterielle Präsenz, die sich hinter dem fantastischen, bio-organischen Raumanzug, aus Haut, Muskeln, Zellen und Blut, verbirgt. Es ist pure Lebenskraft und reine energetische Essenz, die jenseits meines anerzogenen, künstlichen und bewertenden Egos, all meiner Namen, Ausweise, Kreditkarten und materieller Attribute, meine unveränderliche Identität sowie mein ewiges Sein, beinhaltet, erzeugt und belebt.  Es ist das Alpha und Omega, der Logos, mein innerer, makelloser "Dorian Gray", mein wahres, unvergängliches „Ich“ - das, was ich wirklich bin und immer sein werde.

 

Wenn ich meine sterbliche Hülle irgendwann, wie einen abgetragenen Mantel, zurücklasse, wird diese Präsenz in mir, ihre Schwingen entfalten und ihre geheimnisvolle und aufregende Reise mit leichterem Gepäck fortsetzen.

 

Wohin wird sie gehen?

 

Ich weiß es nicht! Doch ganz egal wo die Reise hinführt, es wird gut sein und „wenn es nicht gut wird, dann war es noch nicht das Ende“ ("Oscar Wilde") - so sagt man .  Ich vertraue darauf, dass es wahr ist, vor allem, weil mein Herz beim Klang dieser Ahnung zu tanzen beginnt.

 

Fühlst du es auch?

 

Ich hebe ab und fliege los, meiner Heimat und meinem Ursprung entgegen. Sobald ich nicht mehr

in den Spiegel schaue, sehe ich dich und begegne mir selbst.

 

Gib mir deine Hand und lass uns gemeinsam fliegen. 

 




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Kommentare: 2
  • #1

    Martina (Mittwoch, 04 Oktober 2017 16:59)

    Lieber Adrian, dieser Blog und die sagenhaft schönen Fotos dazu, sind dir ein weiteres Mal vorzüglich gelungen. Danke hierfür! Und dafür, dass er mich an eine Frage erinnert, die ich mir oft stelle, wenn ich in den Spiegel blicke. Sie wird dir schon bald begegnen ;o) LG, Martina

  • #2

    Adrian (Mittwoch, 04 Oktober 2017 18:36)

    Hallo Martina,

    vielen herzlichen Dank. Ich bin schon sehr gespannt auf deine Frage ;o)

    Liebe Grüße,
    Adrian